03. Juni 2025
Während Politik und Medien in Deutschland empört auf die geplanten Einschränkungen von Austauschprogrammen in den USA reagieren, eskaliert die Lage vor der eigenen Haustür: Das deutsche Au-pair-Programm steht still – nicht aus Mangel an Interesse, sondern wegen dramatischer Probleme im Visumverfahren.
Was derzeit viele als Skandal in den USA sehen – Visa-Blockaden und politische Hürden für Studierende, Au-pairs und Austauschschüler – ist für zahlreiche Au-pairs, die nach Deutschland kommen wollen, längst bittere Realität. Bewerberinnen und Bewerber aus vielen Herkunftsländern erhalten keine Visumstermine, warten über zwei Jahre auf einen Botschaftstermin oder erhalten schlicht keine Rückmeldung. In besonders betroffenen Ländern liegt die Ablehnungsquote bei 70 bis 90 Prozent. Hinzu kommen Berichte über Termine, die auf dem Schwarzmarkt verkauft werden.
Die Gütegemeinschaft Au pair e. V., Dachverband qualitätszertifizierter Vermittlungsagenturen, schlägt Alarm: „Was wir derzeit erleben, ist de facto das Ende des begleiteten Au-pair-Programms in Deutschland“, sagt Cordula Walter-Bolhöfer, Sprecherin der Gütegemeinschaft. „Wir verlieren den Anschluss daran, junge Menschen weltweit für Deutschland zu begeistern – nicht, weil das Au-pair-Modell überholt wäre, sondern weil unsere Visapolitik und Auslandsvertretungen zunehmend zum Hindernis werden.“
Während Austauschprogramme in den USA vermehrt eingeschränkt werden, erleben Au-pairs auf dem Weg nach Deutschland eine mindestens ebenso restriktive Realität – allerdings ohne politische oder mediale Debatte. Die Wut über die US-amerikanischen Pläne wirkt scheinheilig, wenn gleichzeitig in Harare, Antanarivo, Kathmandu, Jakarta, Bangalore kaum mehr ein Visum vergeben wird.
Interkultureller Austausch, Familienentlastung, Sprachförderung und internationale Verständigung – all das steht auf dem Spiel. Dabei wäre eine Lösung greifbar: Eine priorisierte und transparente Visumvergabe für Au-pairs über RAL-zertifizierte Agenturen, wie sie von der Gütegemeinschaft vorgeschlagen wird, könnte sofort Entlastung schaffen und Missbrauch verhindern.
„Wenn wir weiterhin erwarten, dass junge Menschen aus aller Welt unsere Sprache und Kultur kennenlernen wollen, dann müssen wir ihnen auch die Türen öffnen“, mahnt die Gütegemeinschaft. „Sonst wird Deutschland als Gastland bald keine Rolle mehr spielen – und das wäre ein großer kultureller Verlust.“
Die Gütegemeinschaft Au-pair befürchtet ein mögliches Ende des Au-pair-Programms in Deutschland, da immer weniger Länder verlässlich vermittelbar sind. Trotz wiederholter Bemühungen, das Auswärtige Amt auf das Visa-Chaos an vielen Botschaften hinzuweisen, berichten Au-pair-Agenturen inzwischen von einer dramatisch hohen Ablehnungsquote bei der Beantragung von Au-pair-Visa.
Eine planbare Vermittlung ist für die Agenturen kaum noch möglich. Was sollen sie den wartenden Gastfamilien sagen? Dass sie sich über Monate gedulden müssen, weil das Au-pair keinen Termin bekommt? Oder dass bereits vergebene Termine kurzfristig wieder abgesagt werden? Dass Visa-Anträge abgelehnt werden, obwohl alle Voraussetzungen erfüllt sind? Die Unsicherheit ist groß, und die Agenturen wissen kaum noch, aus welchen Ländern sie noch erfolgreich Au-pairs vermitteln können.
Ländersituation nur beispielhaft - Probleme überall
Die Erfahrungen aus einzelnen Ländern wie z. B. Nepal, den Philippinen oder Madagaskar zeigen beispielhaft, wie sich die Situation verschärft hat. In Nepal wurde das Au-pair-Programm praktisch ohne Vorankündigung beendet. Während zwischen 2013 und 2017 jährlich über 230 junge Menschen als Au-pairs nach Deutschland kamen, konnten 2024 nur noch 8 Au-pairs einreisen – eine drastische Reduzierung, die Enttäuschung auf allen Seiten hervorrief. Auf den Philippinen ist derzeit keine Au-pair-Vermittlung möglich, während im vergangenen Jahr noch 400 Au-pair-Visa erteilt wurden. Auch in Madagaskar herrscht ein Visa-Chaos; die Zahl der abgelehnten Visa ist massiv gestiegen.
Diese Probleme sind nicht nur auf die drei genannten Länder beschränkt. In fast allen Herkunftsländern verschärft sich die Situation spürbar.
Ist das Au-pair-Programm noch politisch gewollt?
Der drastische Anstieg von Wartezeiten und Absagen wirft die Frage auf, ob das Au-pair-Programm politisch noch gewollt und unterstützt wird. Dabei leisten Au-pairs einen wichtigen Beitrag zum interkulturellen Austausch, zum Spracherwerb und zur Entlastung vieler Familien in Deutschland. Ohne verbesserte Visaverfahren und klare politische Unterstützung droht dem Programm jedoch ein schleichendes Aus.